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Der Biomarkt in Deutschland boomt. 2020 erwirtschaftete die Biobranche mit 15 Milliarden Euro ein sattes Umsatzplus von 22 % zum Vorjahr. Viele verbinden mit Bio einen gesunden Lebensstiel, Umweltverträglichkeit und mehr Tierwohl. Aber wann ist ein Produkt BIO oder ÖKO und sind solche Produkte tatsächlich besser?
In diesem Beitrag geht es um BIO oder ÖKO und darum, ob ÖKO-Produkte tatsächlich besser sind oder ob uns durch BIO-Marketing nur mehr Geld rausgeleiert wird, für ein etwas besseres Gefühl beim Konsum.
Hallo und Willkommen zu Romejo, schön, dass Du neugierig bist.
Was ist eigentlich BIO und ist BIO im Supermarkt das gleiche Bio wie im Demeter Laden?
Was BIO oder ÖKO ist, ist europaweit in einer Verordnung geregelt. Und zwar in der EU-Verordnung 2018/848.
Und die regelt für alle Produktions- und Vermarktungsstufen Bedingungen, die erfüllt werden müssen, damit landwirtschaftliche Erzeugnisse als ökologisches oder biologische Produkte in der EU in Verkehr gebracht oder beworben werden dürfen.
In der EU-Öko-Verordnung steht zum Beispiel, dass BIO Produkte nicht mit ionisierenden Strahlen konserviert werden dürfen und nicht unter Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln erzeugt werden dürfen. Diese Produktionsbedingungen gelten auch für BIO-Produkte aus dem Supermarkt.
Es werden fast zwei Drittel der Ausgaben der Bundesbürger für Bio-Lebensmittel inzwischen in Deutschlands Discountern, Supermärkten und Drogeriemärkten ausgegeben.
Neben dem EU-Siegl gibt es auch noch weitere Siegel, die der Anbauverbände wie Bioland, Naturland, Demeter, Biokreis und anderer, die Großteils strengere Produktionskriterien vorschreiben.
Deutlich wird dies zum Beispiel dadurch, wie viele Zusatzprodukte bei der Verarbeitung erlaubt sind: EU-Bio: 53, Bioland & Naturland: 22, Demeter: 21.
Ein anderes Beispiel ist die Verwendung von Fisch- und Tiermehl. Das wurde in der Tierzucht als Beimischung zu Futtermitteln genutzt, z. B. in der Schweine- und Hühnerfütterung. Wobei das Verfüttern von Tiermehl an Wiederkäuer seit 1994 an andere Nutztiere seit 2001 u.a. wegen der BSE-Problematik in der EU verboten worden war.
Bioland, Demeter, und Biokreis erlauben das Verfüttern von Fischmehl nicht, Naturland erlaubt es, aber ausschließlich zur Jungtierfütterung bei Geflügel und Schweinen. Man kann leicht den Überblick im Siegel-Labyrinth verlieren.
Ein anderes Beispiel ist Kirschjoghurt, der lässt sich in bester Bio-Qualität aus Joghurt und 11% Kirschen herstellen. Für das EU-Öko Siegel reichen 6% Kirschanteil, dazu ein wenig BIO-Roterübensaft für die Farbe und natürliche Aromen und BIO-Zucker für den Geschmack. Bio ist also nicht wirklich gleich BIO. Natürliche Aromen sind übrigens bei den meisten Siegeln der Anbauverbände auch erlaubt.
Und auch ohne Siegel von Anbauverbänden wird im Discounter-Bio manchmal nach den oft strengeren Richtlinien der Anbauverbände erzeugt, vor allem Obst und Gemüse.
BIO ist also immer mindestens EU-BIO. Jedenfalls bei Lebensmitteln, Begriffe wie „natürlich“ „nachhaltig“ oder „kontrollierter Anbau“ sind da schwammiger. Für Kosmetika, Reinigungsmittel oder Textilien trifft das Gesagte nicht zu, hier ist der Begriff BIO oder ÖKO nicht gesetzlich geschützt.
Ist Bio denn gesünder?
Studien zeigen, der Apfel vom Biohof ist nicht grundsätzlich gesünder. Das liegt vor allem auch daran, dass konventionelle Erzeugung nicht heißt, dass es für Pestizide und Co. keine Grenzwerte gäbe. Wer die Wahl hat zwischen dem weitgereisten BIO-Apfel aus Neuseeland und einem konventionellem Apfel aus der Region, hat die Qual der Wahl.
Weil in BIO-Obst weniger Wasser enthalten ist, schneiden sie im Vitamingehalt etwas besser ab. Milchprodukte im Jodgehalt dafür schlechter.
Bei der Tierhaltung gehen die Punkte dann eindeutig zum Öko-Produkt.
BIO-Tieren steht mehr Platz zu Verfügung, einem Schwein zum Beispiel mindestens 1.3 Quadratmeter, während die konventionelle Sau nur Anspruch auf ca. die Hälfte hat.
Vorbeugend Antibiotika darf ein BIO-Tier auch nicht bekommen und davon profitiert der Verbraucher gleich zweifach, weil die Gefahr der Entstehung von Antibiotikaresistenzen vermindert wird. Ob es allen BIO-Tieren grundsätzlich besser geht, kann man trotzdem bezweifeln, schließlich gibt es Öko-Betriebe, die Tausende von Legehennen halten und es gibt auch konventionelle Betriebe, bei denen auf Auslauf der Tiere wert gelegt wird.
Ob BIO-Essen gesünder ist, ist eine relativ dumme Frage, es hängt hauptsächlich von dem ab, was man isst, BIO-Schokolade in Mengen gegessen macht auch dick und ist nicht wirklich gesund.
Allerdings haben pflanzliche Bioprodukte einen höheren Gehalt an den sogenannten sekundären Pflanzenstoffen. Das sind Substanzen, die Pflanzen bilden, um sich vor Krankheitserregern selbst zu schützen, da sie Pestizidfrei wachsen. Zu den sekundären Pflanzenstoffen zählen Polyphenole, Phenolsäuren oder Flavonoide, Substanzen, die in unserem Körper als Radikalfänger dienen können, von ihnen nimmt man an, dass sie helfen, viele Alterserscheinungen und auch chronische Krankheiten zu verhüten oder hinauszuschieben. Das klingt doch gesund.
Ist BIO für die Umwelt besser?
Die BIO-Avocado ist es sicher nicht, für die Herstellung einer einzigen Frucht werden bis zu 300 Liter Wasser verbraucht, allein in Mexiko werden jedes Jahr über 4000 Hektar Wald für den Avocado Anbau gerodet. Dazu kommt dann noch der fiese CO2 Abdruck der BIO-Avocados für Verpackung und Transport. Ökologisch bedenklich dieses BIO-Produkt.
Die konventionelle Landwirtschaft setzt chemisch-synthetische Düngemittel auf Ihren Anbauflächen ein, der ÖKO-Bauer düngt vor allem mit der Gülle seiner Tiere, der Verzicht auf Kunstdünger bedeutet, dass weniger Stickstoff in den Boden in Grund- und Oberflächenwasser gelangen, ein klarer Pluspunkt für BIO.
Verfechter der konventionellen Landwirtschaft argumentieren aber auch anders. Sie sagen, um dieselbe Menge Weizen, Kohl oder Erdbeeren zu ernten, brauchte es viel mehr Ackerland beim BIO-Anbau. Im Endeffekt produziere so der ökologische Anbau genauso viel Klimagase wie die konventionelle Landwirtschaft – aber zehn Prozent mehr Stickoxid, Ammoniak und Bodenversauerung.
Der BIO-Bauer verwendet keine synthetischen chemischen Pestizide um unerwünschte Organismen in der Landwirtschaft zu beseitigen, er verwendet natürliche Mittel, wie Pflanzenöle, Bienenwachs oder Kupfer. Kupfer zum Beispiel kann sich in den Böden anreichern und den Regenwürmern schaden. Sie sind in solchen Böden weniger vermehrungsfreudig und machen sich so vom Acker.
Es gibt auch hier zwei Seiten einer Medaille.
Auf Biofeldern leben einer Studie zufolge 35 Prozent mehr Feldvogel-Arten und 23 Prozent mehr Insekten-Arten, die Blüten bestäuben. Und die Pflanzenvielfalt ist um 86 Prozent höher. Allerdings kann die Biodiversität mit steigendem Kupfergehalt dann auch sinken. Der Punkt für Biodiversität geht eindeutig an BIO.
Ist BIO für das Klima besser?
Ehrlich gesagt, kann man das seriös nicht eindeutig beantworten. Zwar rülpsen BIO-Kühe weniger klimaschädliches Methan in die Atmosphäre und durch den Verzicht auf Kunstdünger wird auch weniger klimaschädliches Lachgas freigesetzt aber Biokühe geben auch weniger Milch als konventionell gehaltene, so dass mehr Tiere für den gleichen Ertrag nötig sind. Kein wirklich klarer Sieg für Bio. Letztendlich hilft dem Klima nur, weniger Fleisch und Milchprodukte zu konsumieren. Butter und Rindfleisch belasten das Klima so stark wie kaum ein anderes Lebensmittel.
Zum Fazit:
BIO wird beim Verbraucher immer beliebter. Auch die konventionelle Landwirtschaft ist Regeln und Grenzwerten unterworfen. Ob BIO in jeden Fall besser ist, lässt sich so einfach nicht sagen. Im Einzelfall kann es ökologischer sein, lieber das nicht BIO-Produkt aus der Region zu kaufen als das weit gereiste BIO-Produkt von einem anderen Kontinent. Das grüne EU-Bio-Siegel steht für klar definierte, gesetzliche Auflagen in Produktion und Verarbeitung, das gilt für den Hofladen und den Discounter. Wer noch mehr Bio beim Bio möchte, dem bleibt es nicht erspart sich mit den unterschiedlichen Bio-Siegeln auseinander zu setzen.
Wer seinen Salat, seine Trauben, Paprika, Tomaten, Kräuter etc. ohne Pestizide will sollte sie in BIO-Qualität kaufen. Und am besten Regional, selbst wenn ein Hofladen um die Ecke sich kein BIO-Siegel leistet, bietet er oft Obst, Gemüse und Eier in bester BIO-Qualität an. Saisonal und regional kaufen hilft dem Klima mehr als jedes Siegel.
Aber nicht jeder hat einen Hofladen ums Eck und lange Einkaufsfahrten zum Biomarkt in der nächsten Großstadt sind sicher nicht ökologisch.
Vielen Dank für’s zusehen, bleib kritisch, denn Du bist was Du isst und bleib neugierig mit Romejo.com
Quellen und weiterführend:
https://www.wwf.ch/de/lebensmittel-label-ratgeber/utz-certified#guide-content
https://www.oekotest.de/essen-trinken/Wieso-Bio-Produkte-bei-Aldi-Lidl-Co-so-billig-sind_98131_1.html
https://www.quarks.de/umwelt/landwirtschaft/oekologische-vs-konventionelle-landwirtschaft-ist-bio-immer-besser/
https://www.quarks.de/umwelt/landwirtschaft/darum-nutzen-auch-biobauern-pestizide/Informationen vom Umweltbundesamt zu Treibhausgasemissionen
https://www.buel.bmel.de/index.php/buel/article/view/259
https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/bio-doch-gesuender-als-konventionelle-produkte-laut-neu-10283
https://www.mpg.de/4705567/Kohlenstoffspeicher_BodenDossier: Ökologischer Landbau
https://orgprints.org/id/eprint/39911/1/Pestizidrueckstaende_Biolebensmittel_Mai_2021.pdf (PDF)
https://www.oekolandbau.de/handel/bio-zertifizierung/einstieg/haeufige-fragen/